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Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs

Ausnahmesituation Geburt: Hebamme Angelika Lessiak IBCLB über vertrauensvolles Ankommen in unsicheren Zeiten

Was bedeutet Corona für Geburt und Wochenbett? Werdende Eltern sind verunsichert – nicht zuletzt von medial geschilderten Horrorszenarien. Die erfahrene Hebamme und Stillberaterin (IBCLB) Angelika Lessiak weiß um die Sorgen der Mütter und Väter in spe und ist davon überzeugt: Vertrauen ist ein Grundbedürfnis, das der Unsicherheit in der Krise Abhilfe schafft. Warum die Privatklinik ein sicherer Ort ist, um in unsicheren Zeiten dennoch Ruhe zu finden und welche Rolle gute Information für das Vertrauen spielt, erfahren Sie im Interview.

Frau Lessiak, Sie sind langjährige Hebamme und als Beleghebamme in allen Privatkliniken Wiens tätig. Ist es derzeit für werdende Eltern besonders schwierig, der Geburt und der Familienwerdung entgegenzusehen?

Ja, auf jeden Fall. Die Paare sind sehr verunsichert. Es fehlen wesentliche Informationen. Ab wann kann die/der Partner*in mit ins Spital? Muss sie/er einen Covid-19-Test machen oder haben? Wie muss ich mich verhalten, wenn ein Covid-Test positiv ist? Wenn ich einen Blasensprung habe und noch keine Wehen – kann mein*e Partner*in dann überhaupt mit und mich unterstützen? Wie lange kann ich im Spital bleiben? Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortführen. Derzeit haben die Paare sehr viele offene Fragen.

Wie bereiten Sie die Paare, die Sie betreuen, auf diese offenen Fragen vor?

Indem ich ihnen sage: Ich werde auf jeden Fall da sein. Wir werden gemeinsam das Spital betreten. Sie brauchen sich nicht vor der Situation zu fürchten, dass sie stundenlang irgendwo allein sitzen und auf ein Ergebnis warten müssen. Ich oder eine Assistent*in der Klinik werden den Test abnehmen. Wenn das Ergebnis da ist, können wir uns dann freier bewegen. In der Klinik bin ich stets präsent, um Unsicherheit abzufangen und den Gebärenden durch meine Anwesenheit Vertrauen zu vermitteln.

Weiters spiele ich mit den Frauen typische Situationen durch. Das beseitigt die Angst vor dem, was auf sie zukommt: Wann habe ich Geburtswehen? Welche Untersuchungen erfolgen? Wo kann die/der Partner*in dabei sein? Fast alles, was man zunächst als Problem sieht, lässt sich lösen. Beispiel: Kann ich nicht ins Kinderzimmer gehen, kommen die Kinderschwestern für die notwendigen Kontrollen zu mir ins Zimmer.

In den Kliniken gab es während des Lockdowns die interessante Beobachtung, dass sich viele Frauen trotz bzw. wegen des strengen Besuchsverbots nach der Geburt schneller erholt haben und auch das Stillen wesentlich problemloser funktioniert hat. Haben Sie das auch beobachtet? Was könnten die Gründe dafür sein?

Ja, es gab vor allem für erstgebärende Mütter einen sehr positiven Outcome. Für sie hatte dieses strenge Besuchsverbot auch den positiven Effekt, dass sie sich ausschließlich um das Neugeborene und um sich selbst kümmern konnten. Da kam keine Freundin und hat das Stillen unterbrochen oder irgendeine Tante, die Aufmerksamkeit wollte – das haben die Mütter sehr positiv erlebt. Vor allem für die Erstgebärenden war und ist es ein Geschenk, viel Zeit zu haben, um das Neugeborene „lesen zu lernen“. Kann die Stillbeziehung so ungestört aufgebaut werden, weil es keine Unterbrechungen gibt – und Mutter mit Kind im Spital sehr aufmerksam versorgt werden – dann funktioniert auch das Stillen zu Hause besser. Diese Frauen gehen gestärkter, selbstbewusster nach Hause. Meiner Erfahrung nach haben sie auch weniger nachgefragt im Kinderzimmer. Sie haben sich schneller zugetraut, die Dinge selbst zu erkennen und dadurch Selbstvertrauen sowie Kompetenz gewonnen.

Natürlich gab und gibt es auch das Dilemma mit einem schon vorhandenen Kind, das kein Besuchsrecht hatte. Da haben die Mütter meine Unterstützung, dass sie möglichst rasch nach Hause gehen können und von mir nachbetreut werden, sehr gerne angenommen.

Inwiefern müssen Frauen, die ein Kind bekommen (haben) denn auch Ihnen als Hebamme vertrauen?

Diese Vertrauensbeziehung ist ganz zentral. Sie wird in der Schwangerschaft aufgebaut. In dieser Ausnahmesituation der Geburt, in der Ängste und Sorgen durch Covid verstärkt werden, ist es einfach wichtig, eine Hebamme zu haben, bei der die werdende Mutter so sein kann, wie sie ist, der sie sich auch emotional anvertrauen kann. Es geht dabei nicht nur um das Gespräch, sondern auch um die kontinuierliche Anwesenheit, die aktive Betreuung, das Tun. Dass ich da bin, dass ich im Kreißsaal präsent bin, dass ich bei Untersuchungen präsent bin. Der Vorteil im Privatspital ist die „eins zu eins Betreuung“. Da wissen die Frauen, dass die Hebamme nicht zwei oder drei Geburten parallel leiten muss. Eine Gebärende braucht jemanden zum „Festhalten“.

Bezüglich des Krankenhaus-Aufenthalts herrscht viel Unsicherheit. Wie können Sie bei den Frauen Vertrauen stärken?

Indem ich ihnen nicht nur versichere, sondern auch zeige, dass die Privatklinik ein sicherer Ort ist. Durch den deutlich reduzierten Ambulanzbetrieb gibt es ein geringeres Risiko, dass man mit dem Virus in Kontakt kommt. Von der individuellen Aufnahme über den Kreißsaal bis zum Wochenbett sind Mutter, Baby und Begleitperson in einem sehr geschützten Terrain. In allen Privatkliniken, in denen ich während der Covid-Krise tätig war und bin, ist die Einhaltung der Hygienemaßnahmen durch das gesamte Personal vorbildlich. Dies vermittelt auch ein positives Sicherheitsgefühl für die Frau, wenn sie dies vor Ort erlebt. Dass ich mich so wie die meisten meiner Kolleginnen seit Beginn der Krise laufend freiwillig testen lasse, beruhigt auch jene Frauen, die zu mir in die Ordination kommen.

Es gibt auch die Befürchtung, dass sich Sicherheitsmaßnahmen wie z.B. Abstandsregeln negativ auf den Geburtsverlauf auswirken. Können Sie das bestätigen?

Nein. Unter den Geburtsbedingungen, die wir im Privatspital haben, kann jede Hebamme auch unter strikter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen der werdenden Mutter Unterstützung, Fürsorge und Sorgfalt für einen optimalen Geburtsverlauf vermitteln.

Was haben Sie für Tipps für werdende Eltern, was vertrauensvolle Geburt und Ankommen betrifft?

Der wichtigste Tipp ist, dass sie sich gründlich vorinformieren. In der Vorinformation durch die Hebamme, die in den Privatspitälern auch bei Anruf im Kreißsaal durch die dort diensthabende Hebamme mit großer Sorgfalt erfolgt, wird Schritt für Schritt erörtert, wie die Situation ist und was wie abläuft. Beispiele für Informationsbedarf in der die Geburt begleitenden Abwicklung sind die Möglichkeit des Corona-Tests für die/den Partner*in gleich bei Ankunft im Privatspital und die konkret geltende Besuchsregelung. Wer weiß, was wann wie abläuft, kann sich darauf einstellen. Information im Vorfeld gibt Sicherheit und Vertrauen.