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Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs

„Was bislang galt oder als sicher angenommen werden konnte, gilt nun nicht mehr“: (Krisen-)Kommunikationsexpertin FH-Prof. Dr. Bettina Gneisz-Al Ani über die richten Worte in einer Krise, die immer auch eine Vertrauenskrise ist

Wir haben es nie so stark gespürt wie derzeit: Krisen können vielschichtig, diffizil und langwierig sein. Speziell in der Corona-Krise sind wir alle betroffen und wir alle sind so manches Mal überfordert damit, trotz Krise im konstruktiven Gespräch mit unseren Gegenübern zu bleiben.  FH-Prof. Dr. Bettina Gneisz-Al Ani ist Expertin für Krisenkommunikation und gibt uns im Gespräch zentrale Ratschläge an die Hand, wie wir vertrauensvoll auch durch lange Krisen navigieren können – ob als Arbeitgeber:in, Politiker:in oder im Privaten.

Frau FH-Prof. Dr. Gneisz-Al Ani, das Thema des Newsletters ist „Das Vertrauen in der Krise“ – was hat denn eine Krise überhaupt mit Vertrauen zu tun?

Krisen sind komplexe Sachverhalte, und zwar unabhängig vom Anlass, unabhängig ob akuter oder latenter Krisenverlauf: Denn das war bislang galt oder als sicher angenommen werden konnte, gilt nun nicht mehr oder wurde zumindest erschüttert. Wenn also Sicherheiten fehlen, müssen wir als Betroffene oder Wahrnehmende des Krisenfalles Vermutungen anstellen und interpretieren. Das öffnet dann auch Spekulationen Tür und Tor. Und das gilt gerade auch für die Öffentlichkeit.

Zudem wissen wir, dass in den letzten Jahren das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber Firmen, Behörden also gegenüber Institutionen weiter deutlich zugenommen hat. Ist man also von einer Krise betroffen, dann gilt für die Krisenwahrnehmung: Im Zweifel nicht für, sondern gegen den „Angeklagten“.

Und wie kommt hier die Kommunikation ins Spiel?

Klare, eindeutige und zeitgerechte Kommunikation setzt den wichtigen Interpretations-Rahmen für das Geschehen, steckt das Thema ab und kann so Gerüchte und Fehlinterpretation wie auch zu hohe Erwartungen an das Krisenmanagement reduzieren. Damit gewinnt gute Kommunikation auch Zeit, damit der Krisensachverhalt geklärt und der Schaden bearbeitet werden kann. Andernfalls steigt die Ungeduld in der Öffentlichkeit und der Druck, das Misstrauen wächst, Interpretationen und Unterstellungen nehmen zu. Sagen Sie also so rasch wie möglich und das knapp und präzise, worum es grundsätzlich geht – und zwar nur so viel wie Sie sicher wissen – und was die nächsten Schritte sein werden. Achten Sie auf Formulierungen, denn was Sie heute sagen, muss auch noch in drei Wochen und darüber hinaus stimmen.

Bei Krisen geht es immer um die Beantwortung dreier zentraler Fragen: Was ist eigentlich geschehen? Wie konnte das passieren – wer ist schuld? Was geschieht nun – Wiedergutmachung?

Wie ist Ihre Wahrnehmung der Corona-Krise und der mit ihr einhergehenden Krisenkommunikation:  Wie steht es nun um das Vertrauen in der Gesellschaft? Gibt es eine Vertrauenskrise?

Die Corona-Krise ist offensichtlich eine hyperkomplexe Krise. Hier geht es in sehr vielen Bereichen darum, ein gewisses Maß an Sicherheit in unsicheren Zeiten zu geben. Nämlich über Maßnahmen versus einer – ohnedies kaum machbaren – Prognostik und Apellen.

Was wären zentrale Ratschläge, die Sie den Krisenkommunikatoren der andauernden Krise ans Herz legen würden?

„Wir sind besser als andere“ – Aussagen helfen nicht, sie sind kontraproduktiv und auch schlichtweg unprofessionell. Wir sind hier nicht in einem Wettbewerb. Dasselbe gilt für „blame-game-Formulierungen“ und Nationalismen. Die Öffentlichkeit will kein Match sehen, sondern fachlich fundierte Arbeit.

Eine Belastung für viele Menschen ist derzeit auch die berufliche Situation – von (drohender) Arbeitslosigkeit über Doppelbelastung im Home-Office mit Kindern bis hin zu einem Risiko-behafteten Arbeitsumfeld. Wie können Arbeitgeber idealerweise kommunizieren, damit ihnen die Mitarbeiter*innen und deren Vertrauen erhalten bleiben?

Behalten Sie Routinen soweit wie möglich bei. Nehmen Sie sich etwas mehr Zeit für Kommunikation abseits des Tagesgeschehens. Wenn Sachverhalte und Entwicklungen noch unklar sind, dann sagen Sie das auch, begründen warum und informieren Sie (Prozessebene), was hier die nächsten Schritte sein werden oder bis wann man Genaueres weiß. Versuchen Sie so konkret und genau zu sagen, was Sie von Ihrem Team erwarten; gerade jetzt sind Missverständnisse möglich. Pausen sind nötig, Humor ist wichtig (kein Zynismus).

Vertrauensbildende Kommunikation ist nicht nur im unternehmerischen Umfeld von Bedeutung, sondern auch privat. Wie können wir berufliche Learnings zuhause einsetzen?

Covid-19 bedeutet in vielerlei Hinsicht für Viele Unsicherheit auf längere Zeit sozial und ökonomisch. Wenn man also durch den Nebel navigiert, ist Fahren auf Sicht nötig – und das mit dem nötigen, nicht nur physischen, Abstand. Wie auch im Job, schaffen Sie einen Platz für das Covid-19-Thema, es soll nicht dauernd Teil der Konversation sein. Das brächte nichts Konstruktives und keine Perspektive, sondern endlose Wiederholungen und Plattitüden, die ermüden.