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Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs

„Wir müssen optimistisch sein…“ – Ein Interview mit Giuseppe Banfi, wissenschaftlicher Direktor an der Klinik Galeazzi in Mailand

In unserer Newsletter-Rubrik „International“ wagen wir den Blick über die Landesgrenzen. Diesmal berichtet Prof. Giuseppe Banfi, wissenschaftlicher Direktor der Klinik Galeazzi in Mailand und Geschäftsführer der Stiftung der Klinik San Raffaele, die Teil der privaten Klinikgruppe San Donato sind, die zu den größten Gesundheitsgruppen Europas zählt. Beide Kliniken befinden sich in Mailand und damit in der italienischen Region, die am stärksten vom Coronavirus betroffen wurde. Nach China war Norditalien das Gebiet, das die Krise besonders unvermittelt und überraschend traf.

Lieber Herr Prof. Banfi, wie haben Sie die letzten Monate des Ausnahmezustandes erlebt?

Unser Krankenhaus war maßgeblich am Covid-Management beteiligt. Zuerst einmal war die Organisation des Betriebs des auf Orthopädie spezialisierten Lehr- und Forschungskrankenhauses völlig auf den Kopf gestellt: Die reguläre Operationsaktivität sowie die Ambulanz wurden eingestellt. Es wurden nur Notfälle zugelassen, die Regionalregierung konzentrierte in zwei spezialisierten Krankenhäusern die orthopädisch dringenden Patient*innen aus der Region Mailand (4 Mio. Einwohner). Außerdem wurden einige Patient*innen mit Covid-Symptomen ohne orthopädische Probleme in unsere Klinik eingeliefert. Die Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen haben enorme Anstrengungen unternommen, um dem Ausnahmezustand gerecht zu werden, den Patient*innen und Angehörigen zu helfen und die Ausbreitung von Viren zu vermeiden. Die Aggressivität der Epidemie war schrecklich und die Organisation muss sich absolut neuen und beispiellosen Problemen stellen.

Die Organisation der Gesundheitsdienste sollte in der nahen Zukunft geändert werden, insbesondere  die Verbindung zwischen Krankenhäusern und den niedergelassenen Ärzt*innen. Die Technologie ist für die Behandlung von Patient*innen, insbesondere bei schweren Verläufen, von grundlegender Bedeutung, aber die Prävention und Betreuung von wenig symptomatischen Patient*innen sollte im niedergelassenen Bereich und via telemedizinischer und webbasierter Kontakte erfolgen, um das Gedränge der Krankenhausdienste und die damit verbundene Krise zu vermeiden.

Wie war Ihr Arbeitsalltag als Direktor und Geschäftsführer betroffen?

Die Änderungen in der Krankenhausorganisation waren vielfältig und bezogen sich nicht nur auf die Patient*innen, sondern auch auf die Wege für Patient*innen und Ärzt*innen (wir haben die Nutzung einiger Räume in neue Bereiche geändert, um beispielsweise diejenigen Ärzt*innen zu isolieren, die Kontakte zu Patient*innen hatten), auf die Schichtdienste von Ärzt*innen dem Pflegepersonal (durch erkrankte Fachkräfte und die Länge der Krankheit, auch wenn sie nicht schwerwiegend war, war lang), die Bereitstellung von Schutzvorrichtungen und -materialien, die Einschränkungen des Zugangs zu den Krankenhäusern, die Fortsetzung von Forschung und Kliniken , insbesondere für onkologische Patient*innen, um Fachleuten und Patient*innen eine webbasierte Unterstützung zu bieten.

Sie waren auch mit einer Vielzahl ethischer Fragestellungen konfrontiert – ebenso wie mit viel menschlichem Leid. Wie sind Sie dem begegnet?

Ethische Fragestellungen waren sehr wichtig. Die begrenzte Verfügbarkeit von Betten und Beatmungsgeräten oder Intensivstationen bereitete Fachleuten in allen Krankenhäusern im gravierende Probleme. Zum Beispiel empfahl die Nationale Ethikkommission, dass das Alter der Patienten nicht ausschlaggebend für die Entscheidung (Anm. d. Red. für bzw. gegen ein Beatmungsgerät) sein sollte. Manche Medikamente haben wir großzügig eingesetzt, die anderen eher vorsichtig für schwere Verläufe von Patient*innen. Wir holten immer die Meinung der Ethikkommission für die Verwendung experimenteller Medikamente und für Forschungen ein, die wir an Patient*innen und deren biologischem Material durchgeführt haben.

Was sind Ihre Gefühle bezüglich der unsicheren Zukunft?

Wir beginnen jetzt mit der „neuen Normalität“ und haben für ausgewählte Patient*innen die elektiven Operationen und ambulanten Dienste wiedereröffnet. Wir haben auch eine webbasierte Teleassistenz für die Rehabilitation und medizinische Bewertung nach dem Krankenhausaufenthalt entwickelt. Die Verweildauer wurde weiter verkürzt und die präklinische Bewertung einschließlich aller virologischen Untersuchungen zusätzlich erweitert. Wir müssen optimistisch sein…