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Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs

Mag. Christina Hattinger über juristische Strategien und Theorien, um Ungewissheit zu begegnen

Ungewissheit und Recht – passt das zusammen? Geschäftsführerin des Verbands der Privatkrankenanstalten Mag. Christina Hattinger fasst einige juristische Theorien und Strategien zusammen, der Ungewissheit zu begegnen. 

Darf es im Recht Ungewissheit geben? Klassisch besteht die Aufgabe des Rechts vor allem darin, Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Aber weil Unsicherheit und Ungewissheit nicht immer verhindert oder überwunden werden können, muss es Strategien geben, wie mit Ungewissheit, also umzugehen ist. Wissenschaftler*innen haben sich mit dem Gedanken beschäftigt, dass Chaos für die Gesellschaft nicht nur eine Bedrohung sei, sondern sogar in der Demokratie eine wichtige Funktion hat, sodass es auch Aufgabe des Rechtes sei, spezifische Formen von Ungewissheit zu erhalten, ja sogar zu erschaffen. Tendenzen zu übermäßiger Ordnung sind mit den Gegenkräften einer Re-Chaotisierung zu konfrontieren.

Die Theoretiker:innen unterscheiden zwischen Sicherheit und Gewissheit. Maximale Sicherheit ist nicht wünschenswert, da diese auch immer die Einschränkung von Freiheit bedeutet. So führt auch ein enormer Zuwachs an wissenschaftlichem Wissen nicht nur dazu, dass Wissenslücken geschlossen werden, sondern kann sogar zu mehr Nichtwissen führen, indem sich neue Fragen auftun.

Erforderlich sind also Strategien, die trotz Unsicherheit Entscheidungen ermöglichen. Das können Techniken sein, die zwar nicht die Ungewissheit, aber doch die Entscheidungsfindung paralysierenden Effekte verschwinden lassen. Dadurch, dass  z.B. Entscheidungen von Vorgesetzten nicht mehr in Frage gestellt werden unabhängig davon, ob für sie hinreichend plausible Gründe angegeben wurden. Oder durch die Zerteilung des Entscheidungsprozesses in einzelne kleinere Abschnitte die dann in den nachfolgenden Abschnitten nicht mehr in Frage gestellt werden dürfen.

Es gibt auch andere Ansätze: Durch die Aufspaltung einer scheinbar einzigen Ungewissheit in zahlreiche kleinere Ungewissheiten wird in der Summe die Gesamtungewissheit im ersten Schritt vielleicht sogar noch erhöht. In jedem einzelnen Verfahrensabschnitt oder jeder einzelnen Teilentscheidung jedoch macht sich der hemmende Aspekt des Ungewissheitsmoments weniger gravierend bemerkbar.

Theoretiker:innen meinen, dass es noch deutlicher dort wird, wo unterschiedliche Formen von Ungewissheiten konstruiert werden.  Versicherungen etwa reduzieren nicht lediglich das Sachrisiko eines bestimmten, durch die  Versicherten verursachten Schadenseintritte, indem sie sich selbst mit einem finanziellen Risiko für den Eintritt des Haftungsfalls belasten. Sie schaffen vielmehr zugleich ein zusätzliches finanzielles Risiko auf der Seite der Versicherten, der im Fall des ausbleibenden Haftungsfalls frustrierte Aufwendungen in Gestalt der Versicherungsprämien zu tragen haben. Die entsprechende Grundkonstruktion lässt sich dann weiter verkomplizieren, etwa durch die Einführung gesetzlicher Haftungsobergrenzen oder eine Rückversicherung der Versicherer selbst. Das entscheidende Muster bleibt dasselbe: Wiederum werden Ungewissheiten nicht beseitigt, sondern vervielfältigt, aber zugleich auf verschiedene Träger verteilt und durch diese Streuung für jeden einzelnen Beteiligten leichter tragbar.

Wir hören oft, dass Ungewissheit schwer zu ertragen ist. Strategien helfen sicherlich mit Ungewissheit oder Unsicherheit umzugehen. Aber auch die Aussage, dass der Mensch so konstruiert ist, alle Krisen durchstehen zu können, ist zumindest tröstlich.

Wer mehr über diese und weitere Theorien lesen möchte findet hier mehr Informationen https://www.praefaktisch.de/nichtwissen/chaos-in-ordnung-bringen-zum-umgang-mit-unsicherheit-und-ungewissheit-im-recht/

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Mag. Christina Hattinger, Fotocredit: Verband der Privatkrankenanstalten