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Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs

‚Innovation als ein Instrument, das nicht nur die Heilung unterstützt, sondern auch die Förderung und Erhaltung der Gesundheit von Individuen und Gemeinschaften vorantreibt.‘ – Interview mit Dr. Barbara Seebacher MSc, Abteilung für Rehabilitationsforschung am Reha Zentrum Münster

Dr. Barbara Seebacher MSc ist Leiterin der Abteilung für Rehabilitationsforschung am Rehabilitationszentrum Münster in Tirol und Teilzeitforscherin an der Medizinischen Universität Innsbruck, Klinische Abteilung für Neurologie. Wir trafen Fr. Seebacher auf ein Gespräch über die Rolle der Innovation im Gesundheitsbereich. 

Welche Innovations-Trends oder -Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft, die besonders auf Kliniken zutreffen könnten?

Die Integration von Technologie in die Gesundheitsversorgung wird voraussichtlich weiter zunehmen. Geräteunterstütztes Training der oberen Extremitäten und des Gehens, Telerehabilitation, digitale Konsultationen und Monitoring/Bewegungserfassung von Patient:innen aus der Ferne werden voraussichtlich an Bedeutung gewinnen, um den Effekt der stationären Rehabilitation zu prolongieren. In diesem Zusammenhang könnten patient:innenorientierte Technologien wie Wearables, Gesundheits-Apps und andere patient:innenzentrierte Technologien die Selbstüberwachung und das Management chronischer Krankheiten verbessern.

Die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz birgt das Potenzial, individualisierte Therapiepläne für Patient:innen sowie eine effizientere Verwaltung von Patient:innendaten zu ermöglichen. Durch die Analyse umfangreicher Datensätze in der Rehabilitationsforschung besteht die Möglichkeit, Muster zu identifizieren und somit die Qualität der medizinischen Entscheidungsfindung zu optimieren. Zusätzlich könnten Krankenanstalten und Kliniken verstärkt auf nachhaltige Praktiken setzen, um ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren.

Für die zukünftige Entwicklung im Reha Zentrum Münster streben wir eine ausgewogene Therapie an, die sowohl die Unterstützung durch technologische Geräte als auch die zwischenmenschliche Interaktion in therapeutischen Beziehungen umfasst. Dabei sollte die Innovation nicht nur auf die Sekundärprävention abzielen, sondern einen nachhaltigen Beitrag zur Primärprävention leisten. Durch diese ganzheitliche Herangehensweise wird nicht nur die Effektivität der Behandlung optimiert, sondern auch das emotionale Wohlbefinden und die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen berücksichtigt. Wir betrachten Innovation als ein Instrument, das nicht nur die Heilung unterstützt, sondern auch die Förderung und Erhaltung der Gesundheit von Individuen und Gemeinschaften vorantreibt.

Welche Auswirkungen haben Innovationen auf die Patient:innenbeteiligung und das Patient:innenerlebnis?

Das Konzept des „Shared Decision Making“ ist uns ein besonderes Anliegen. Es hebt die Bedeutung hervor, Patient:innen von Beginn an aktiv in den Entwicklungsprozess von Innovationen einzubeziehen. Unser Projekt „MuSic Moves“, das wir in Kooperation mit Kolleg:innen der Medizinischen Universität Wien durchführten ist ein Beispiel für gelebte Patient:innenbeteiligung (gefördert von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, Open Innovation in Science Institut, Multiple Sklerose Forschungsgesellschaft Österreich, Gemeinnützige Privatstiftung MS Österreich und unterstützt von der Multiple Sklerose Gesellschaft Tirol und Österreichischen Multiple Sklerose Gesellschaft). In diesem Projekt fungierten Patient:innen nicht nur als Empfänger:innen, sondern als Mitgestalter:innen. Von den initialen Phasen des Projekts bis hin zu allen Entscheidungsprozessen waren Patient:innen als Mitforschende aktiv involviert. Diese partizipative Herangehensweise hatte signifikante Auswirkungen auf das Patient:innenerlebnis. Indem Patient:innen von Anfang an in den Entwicklungsprozess eingebunden wurden, fühlten sie sich nicht nur wertgeschätzt, sondern hatten auch die Möglichkeit, ihre gelebten Erfahrungen, Wünsche, Präferenzen und Vorbehalte einzubringen. Diese Innovationen sind maßgeschneiderte Lösungen, die auf die individuellen Anforderungen und Erwartungen der Patient:innen abgestimmt sind. Das Patient:innenerlebnis wird so nicht nur verbessert, sondern auch zu einem partnerschaftlichen Austausch zwischen Gesundheitsdienstleistern und Patient:innen transformiert.

Innovative Tools, darunter Gesundheits-Apps, Online-Plattformen und personalisierte Gesundheitsportale, bieten Patient:innen einen leichteren Zugang zu Gesundheitsinformationen. Dies fördert das Verständnis für ihre Gesundheitszustände und Behandlungspläne, was wiederum ihre Beteiligung am Entscheidungsprozess verbessert und zu einer größeren Autonomie und Eigenverantwortung der Gesundheit beiträgt.

Auf welche innovativen Ansätze oder Projekte in Ihrer Klinik sind Sie besonders stolz?

In unserer Rehaklinik etablierte sich die Rehabilitationsforschungsabteilung und spielt eine entscheidende Rolle bei verschiedenen Aktivitäten, darunter die Einreichung von Forschungsanträgen, insbesondere zu Themen sozialer Innovation. Ein herausfordernder Aspekt im Gesundheitswesen ist die Suche nach qualifiziertem Gesundheitspersonal, und es besteht die Herausforderung, diese langfristig im Betrieb zu halten. In diesem Kontext ist es unser Ziel, sinnorientiertes Arbeiten zu ermöglichen, um die Mitarbeiter:innenzufriedenheit und -bindung zu fördern.

Ein Beispiel für partizipative Forschungsprojekte aus unserer Abteilung ist, das bereits erwähnte „MuSic Moves“ Projekt. Hierbei wurde in enger Zusammenarbeit mit Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, ein musikunterstütztes Bewegungstrainingsprogramm speziell für Menschen mit Multipler Sklerose entwickelt. Solche partizipativen Ansätze ermöglichen nicht nur die Integration von Patient:innenerfahrungen in die Forschung, sondern tragen auch dazu bei, Programme gestalten zu können, die den Bedürfnissen und Wünschen der Patient:innen besser entsprechen.

Darüber hinaus engagieren wir uns in randomisierten kontrollierten Studien zur Bewertung der Effekte neuer Interventionen in der Rehabilitation. Unsere bisherige Forschung umfasst auch Validierungsstudien für innovative patient:innenberichtete Fragebögen, die Aspekte wie Fatigue, Schlafprobleme, Selbstwirksamkeit und die therapeutische Allianz in der Tele-Rehabilitation erfassen.

Wie wird das Bewusstsein für Innovationen unter den Mitarbeiter:innen gefördert, wie werden ihre Ideen zur Verbesserung des Rehabilitationsprozesses geschätzt?

Die Eigenmotivation der Mitarbeiter:innen spielt eine entscheidende Rolle, um innovative Ideen zu fördern und voranzutreiben. Ein treffendes Beispiel hierfür war kürzlich ein Meeting mit dem Klimabündnis, das aufgrund der Initiative einer engagierten Mitarbeiterin stattfand. Diese Mitarbeiterin brachte die Idee ein, Nachhaltigkeitsthemen verstärkt in den Fokus zu rücken.

In unserer Organisation schätzen wir es, wenn Mitarbeiter:innen mit eigenen Ideen und Anregungen aufkommen. Diese Ideen werden nicht nur aufgegriffen, sondern es wird auch besonderer Wert daraufgelegt, sie gemeinschaftlich weiterzuentwickeln. Unsere Unterstützung erstreckt sich darüber hinaus, indem wir den Mitarbeiter:innen behilflich sind, ihre Ideen in konkrete Maßnahmen umzusetzen und zu realisieren.

Im Haus führen wir auch Pilotprojekte durch, um vielversprechende Ideen in kleinen, kontrollierten Umgebungen zu testen. Dies ermöglicht es, die Machbarkeit und Wirksamkeit von Innovationen zu prüfen, bevor sie breit eingeführt werden.

Dr. Seebacher Barbara
Dr. Seebacher Barbara